Die ÖkoTox GmbH entwickelt biologische Testverfahren mit Pflanzen für den Nachweis von Schadstoffen in Wasser, Luft und Boden

Die Stuttgarterinnen Heidrun Moser und Christina Pickl haben eine neue wissenschaftliche Methode entwickelt, mit der die Wirkung von Giften auf die Natur untersucht werden

Gefährliche chemische Verbindungen im Wasser, in der Luft oder der Erde lassen sich durch chemische Analysen auch in ausgesprochen geringen Konzentrationen nachweisen – sofern sie bereits bekannt sind. Doch solche gängigen Verfahren finden keine unbekannten Substanzen und geben auch keinerlei Auskunft über deren toxikologische Wirkung. Anders verhält es sich bei biologischen Tests mit Zellkulturen, Mikroorganismen, Krebstieren oder Fischen, die helfen abzuschätzen, welche Substanzen in welcher Dosis die Gesundheit der Menschen gefährden. Die Stuttgarter ÖkoTox GmbH entwickelt solche Verfahren und setzt zur Analyse von Schadstoffbelastungen überwiegend auf Pflanzen, da diese besonders anpassungsfähig sind. Die neuen Testverfahren erfassen nicht nur die akuten Belastungen beispielsweise eines verschmutzten Gewässers und deren Wirkungen, sondern auch die chronischen. In Langzeitbeobachtungen im Labor oder im Freien werden die Reaktionen der Pflanzen auf die Umwelt untersucht. Die Auftragslage für die Gründerinnen Heidrun Moser und Christina Pickl, beide promovierte Ökotoxikologinnen, ist sehr gut. Für den Schweizerischen Telekommunikationsanbieter Swisscom AG entwickeln und evaluieren die Stuttgarterinnen zurzeit Testverfahren mit der Spinnwurzpflanze, die Auskunft darüber geben sollen, ob elektromagnetische Felder aus dem Mobilfunkbereich das Erbgut schädigen können.

In Reih und Glied stehen die beinahe identischen Gläser mit den kleinen Wasserpflanzen im Labor. In den Gläsern schwimmen und gedeihen verschiedene Mengen von Lemnaceen – besser bekannt als Wasserlinsen oder Entengrütze. Grund des unterschiedlichen Wachstums könnte die toxikologische Belastung des Wassers sein. Der Wasserlinsentest soll zeigen, ob Wasser genießbar oder mit giftigen Schadstoffen belastet ist. "Wegen ihrer hohen Anpassungsfähigkeit eignen sich diese Pflanzen besonders für die Untersuchung von Wasserproben", erklärt Heidrun Moser, Gründerin und Geschäftsführerin von ÖkoTox. "Reagiert die Wasserlinse mit einer Veränderung ihrer Lebensfunktion, wächst sie also nicht weiter, hat sie zuwenig Blätter oder verändert ihre Farbe, so können wir davon ausgehen, dass von dem Gewässer eine Gefährdung für den Menschen und die Umwelt ausgeht." Mit Hilfe dieser unscheinbaren Pflanzen, die im heimischen Gartenteich meist unbeliebt sind, können in wässrigen Proben, in Einzelsubstanzen oder in Stoffgemischen die Qualität und Quantität der Umweltbelastung ermittelt werden. Heidrun Moser: "So helfen wir zum Beispiel Unternehmen beim Arbeitsschutz oder führen Abwasserprüfungen durch".

Pflanzen reagieren auf die Umweltverschmutzung zuerst

Bereits während ihres Studiums der Agrarbiologie an der Universität Hohenheim in Stuttgart haben sich Heidrun Moser und Christina Pickl mit dem Wasserlinsentest beschäftigt. "Pflanzentests gab es auch schon bevor wir uns mit ÖkoTox selbstständig machten, aber sie hatten bei weitem nicht den Stellenwert, den sie jetzt haben", sagt Heidrun Moser. "Wir sind mit unseren Tests 1999 in eine echte Lücke gestoßen." Damit diese Lücke ausgefüllt werden konnte, bewarben sich die beiden Existenzgründerinnen mit einem Businessplan um das Förderprogramm "Junge Innovatoren" beim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Nach der erfolgreichen Förderung stehen die beiden Gründerinnen mit der
ÖkoTox GmbH mittlerweile auf eigenen finanziellen Füßen und auch die Mannschaft ist um zwei Mitarbeiter vergrößert worden.

Natürlich kommt nicht jedes Gewächs für biologische Tests in Frage. Häufig werden sogar spezielle Pflanzen gezüchtet. Nützliche Probanden sind bekannte Gewächse wie die Wasserlinse, Moos oder auch bestimmte Algenarten. Auch die alt bekannte Kresse, die als junge Pflanze sehr empfindlich auf Veränderungen reagiert, wird eingesetzt, etwa um Rüstungsaltlasten und Schwermetalle im Erdreich nachzuweisen. Die Zielstellung der Untersuchungen bestimmt die Auswahl der Testverfahren, wobei unterschieden wird zwischen Verfahren, die Schadstoffwirkungen auf den Stoffwechsel erfassen und solchen, die auch Veränderungen des Erbguts der Test-organismen abbilden.
Bei ÖkoTox werden insgesamt über 20 verschiedene Pflanzen als Stammkulturen gehalten, die man auch anderen Forschungseinrichtungen zum Kauf anbietet. Die Tests werden sowohl im Labor in Petrischalen, als auch im Gewächshaus in Töpfen durchgeführt. Wenn eine Freilanduntersuchung gemacht werden muss, kommen für die Testphase die Monate von Mai bis September in Frage. "Die Boden- oder Wasserproben kommen direkt zu uns. Wenn das beauftragende Unternehmen in der Nähe ist, gehen wir auch schon mal selber hin und nehmen die Proben", erklärt Christina Pickl. "Das hängt ganz davon ab, wie gut der Kunde ausgestattet ist und ob er eine eigene Umweltabteilung hat."

Die Spinnwurz hat was gegen schlechte Luft

Als ein besonders wertvoller Testorganismus für den Nachweis genotoxischer Wirkungen hat sich die Spinnwurz (lat.: Tradescantia) erwiesen. "Erbgut verändernde Stoffe im Boden, in der Luft oder im Wasser bewirken eine Genomveränderung bei der Pflanze, der Spinnwurz brechen dadurch praktisch kurze Stücke von der DNA ab." sagt Heidrun Moser "Unter dem Mikroskop sind diese Stücke als so genannte Kleinkerne zu sehen". Da der Vorgang der Zellteilung nicht artspezifisch ist, sondern in allen höheren Lebewesen stattfindet, lässt die Zahl der neu gebildeten Kleinkerne Rückschlüsse auf die Wirkung im Menschen zu. "Diese Verfahren können wir sowohl im Labor wie auch im Freiland, am Arbeitsplatz und in Innenräumen von Werkshallen durchführen und genotoxische Wirkungen nachweisen, sagt Heidrun Moser."
Im Rahmen einer Ökosystembewertung des Pkw-Werkes Rastatt der DaimlerChrysler AG wurde der Einfluss der Emissionen und Immissionen auf das Werksumfeld untersucht. Die Spinnwurzschnittlinge wurden dabei an sechs verschiedenen Standorten auf dem gesamten Gelände, beispielsweise in der Nähe des Schornsteins der Lackiererei, ausgesetzt und mit der dort auftretenden und eventuell giftigen Substanz belastet. Später wurden Kontrolluntersuchungen im Labor durchgeführt. Ein Vergleich an fünf Standorten zeigte, dass an keiner Stelle signifikante Änderungen der Erbsubstanz erkennbar waren. Lediglich am sechsten Standort wurden leicht erhöhte Werte ermittelt. Mit Hilfe der Tradescantia wurde auch eine Untersuchung von Stoffen und Stoffgemischen durchgeführt, die während der Lackierung von Fahrzeugen auftreten. Die Ökobilanzierung des Rastatter Werkes soll noch in diesem Jahr veröffentlicht werden.

Nur Biotests können zeigen, ob tatsächlich eine Gefährdung droht

Ob elektromagnetische Felder im Bereich Mobilfunk das Erbgut schädigen können, soll ebenfalls die Spinnwurz herausfinden. Daran arbeitet das ÖkoTox-Team in einem gemeinsamen Forschungsvorhaben mit der Forschungsabteilung des Schweizerischen Telekommunikationsanbieters Swisscom AG, dem Umweltberatungsunternehmen Puls in Bern und der Forschungsstiftung Mobilkommunikation an der ETH, Zürich. "Vor einem Jahr untersuchten wir gemeinsam die Wirkung von elektromagnetischen Feldern im 21 Megahertz-Bereich, jetzt sind die GSM und UMTS-Bereiche dran", erklärt Christina Pickl. Bei diesem Test werden die Schnittlinge der Spinnwurz mehrere Stunden lang einer Variante des elektromagnetischen Felds ausgesetzt, danach dürfen sie sich einen Tag lang unbelastet weiterentwickeln. In dieser Zeit teilen sich die Pollenzellen und die abgebrochenen Stücke der DNA müssten, sofern eine toxische Wirkung vorliegt, unter dem Mikroskop sichtbar werden. Als Kontrollgruppe dienten Pflanzen, die sich in einem vor Strahlung abgeschirmten Faraday-Käfig befanden.

Die Kosten für Forschungsaufträge, die hauptsächlich von großen Unternehmen vergeben werden, bewegen sich je nach Aufwand und Dauer zwischen 5.000 und 70.000 Euro. "Natürlich dürften es noch mehr Unternehmen sein, die Biotests durchführen lassen, vielen ist aber nicht klar, warum sie Biotests machen sollen, wenn es eine physikalisch-chemische Wasseranalyse auch tut", erklärt Heidrun Moser. "In einem Liter Trinkwasser können zwar Schwermetalle nachgewiesen werden, die, nach einer gewöhnlichen Analyse unter dem Grenzwert liegen. Doch beim Trinken summieren sich die einzelnen Stoffe und nur unsere Biotests können zeigen, ob dann tatsächlich eine Gefährdung für den Menschen, Tiere und Umwelt droht."