50 Jahre und kein bisschen alt – Jim Knopf feiert Geburtstag

Der Stuttgarter Thienemann Verlag ist einer der bedeutendsten Kinder- und Jugendbuchverlage der Welt

© Thienemann Verlag

Kinder- und Jugendbücher aus dem Thienemann Verlag haben eine große und lange Tradition: 1849 in Stuttgart gegründet, gehört er heute zu den einfluss- und erfolgreichsten Kinder- und Jugendbuchverlagen der Welt. Thienemann-Bücher wenden sich – mit einem Angebot, das vom hochwertigen Bilderbuch bis zum Roman für junge Erwachsene reicht – an eine Leserschaft, die zwischen drei und 16 Jahren alt ist. Zu den bekanntesten Titeln gehören Preußler- und Ende-Klassiker wie "Die kleine Hexe", "Räuber Hotzenplotz", "Jim Knopf" und "Die unendliche Geschichte". Laufend werden neue, Erfolg versprechende Autoren aufgebaut. Jedes Jahr erscheinen etwa 220 neue Titel, insgesamt sind derzeit rund 700 Titel lieferbar. Damit setzt Thienemann gut 13 Millionen Euro um.

Das Schicksal Jim Knopfs, der als Säugling in einem Postpaket auf die Insel Lummerland geliefert wird, fasziniert Kinder und Jugendliche seit 50 Jahren. Immer neue Generationen leben und leiden mit Jim, seinem Freund Lukas, dem Lokomotivführer, und der Lokomotive Emma: Die Insel wird für ihre Bewohner zu klein, die Hauptfiguren stürzen sich in fantastische Abenteuer, retten Prinzessinnen und fernöstliche Kaiser, entdecken nicht nur das Geheimnis von Jims Herkunft, sondern endlich auch eine Lösung für die Vergrößerung Lummerlands.

Am 9. August 1960 erblickte Michael Endes "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" zwischen den von Franz Josef Tripp markant illustrierten Buchdeckeln das Licht der Literaturwelt. Zunächst hatte es gar nicht gut für Ende ausgesehen: Zehn Verlage hatten seine Geschichte abgelehnt, ehe er sich an den 1849 gegründeten Thienemann Verlag wandte. Dieser letzte Versuch glückte – und wurde für alle Beteiligten zu einem sensationellen Erfolg. Lotte Weitbrecht, die den Verlag damals leitete, erkannte das Potenzial und brachte "Jim Knopf" in zwei Bänden heraus. Für Ende bedeutete es den schriftstellerischen Durchbruch, bereits 1961 bekam er den Jugendliteraturpreis. Dem Verlag bescherte "Jim Knopf" traumhafte Verkaufszahlen. Noch heute gehören die Abenteuer von Jim und Lukas, die in alle wichtigen Sprachen übersetzt wurden, zur wichtigsten Kinderlektüre. "Ich behaupte, dass "Jim Knopf", ,Die kleine Hexe" und der ,Räuber Hotzenplotz", die auch bei uns erschienen sind, nicht nur Bestseller, sondern längst Klassiker und Bestandteil des deutschen Kulturguts sind", sagt der aktuelle Verleger Klaus Willberg. "Eltern, die diese Bücher früher selbst verschlungen haben, lesen sie heute mit ebenso großer Begeisterung ihren eigenen Kindern vor."

Der Autorenverlag schreibt Geschichte(n)

Karl Thienemann verließ den berühmten Esslinger J.F. Schreiber Verlag ("Die Häschenschule", Schreiberbögen), wo er als Illustrator beschäftigt war, im Jahr 1849, um seinen "K. Thienemanns Verlag" zu gründen. Geschäftsräume fand er in der Stuttgarter Blumenstraße, wo der Verlagssitz bis heute geblieben ist. Damit ist Thienemann einer der ältesten reinen Kinder- und Jugendbuchverlage der Welt – und wahrscheinlich der einzige, der nie umgezogen ist. Von Anfang an spezialisierte er sich auf Bilder-, Kinder- und Jugendbücher. Karl Thienemann war stets darauf bedacht, Lizenzen gut ins Ausland zu verkaufen und für seine deutschsprachigen Originalrechte Co-Produzenten zu finden. Dies ist noch immer eine wichtige Strategie des Verlags, die auch den Autoren weitere Einnahmen sichert. Heute werden aber auch Lizenzen eingekauft. "Es geht darum, gute Geschichten zu haben, wo sie zuerst erschienen sind, ist eher nebensächlich", sagt Klaus Willberg. "Klassiker wie die von Preußler und Ende werden auf der ganzen Welt angeboten."

Karl Thienemanns direkter Nachfolger, Otto Weitbrecht, der den Verlag 1916 kaufte, führte ihn im Sinne des Gründers fort. Der entscheidende Durchbruch gelang aber seiner Tochter Lotte, die Otfried Preußlers Manuskript "Der kleine Wassermann", das zuvor mehrfach abgelehnt worden war, herausbrachte und zum Erfolg machte. "Lotte Weitbrecht war mutig und hatte meist den richtigen Riecher", sagt Klaus Willberg über seine Vorgängerin. Die richtigen "Hämmer" kamen ja erst noch: "Der Räuber Hotzenplotz", "Die kleine Hexe", "Das kleine Gespenst" sind alle längst Klassiker der Kinderbuchliteratur. Otfried Preußler wurde bisher in über 50 Sprachen übersetzt, noch immer kommen weitere hinzu. Für den Roman "Krabat" erhielt er 1972 den Deutschen, 1973 den Europäischen Jugendbuchpreis. Im selben Jahr beginnt Michael Endes "Momo", die nationalen und internationalen Bestsellerlisten zu stürmen und die Preise reihenweise abzuräumen. Der Roman wurde bisher in 40 Sprachen übersetzt und erreichte eine weltweite Auflage von über 9 Millionen Exemplaren. Es folgt "Die unendliche Geschichte" mit 8,4 Millionen Exemplaren. Dieses Ende-Buch stand 113 Wochen lang ununterbrochen auf Platz eins der Spiegel-Bestsellerliste.

Heute gehört der Verlag, da der letzte Verleger der Weitbrecht-Familie, Hansjörg Weitbrecht, kinderlos blieb, zum schwedischen Medienkonzern Bonnier. Der Verkauf wurde 2001 vollzogen, 2002 übernahm Klaus Willberg die Geschäftsleitung des Verlages, der 2003 in "Thienemann Verlag GmbH" umbenannt wurde. "Wir arbeiten nach wie vor völlig selbstständig, solange die Zahlen stimmen, redet uns niemand rein", sagt Willberg. "Und wir brauchen keine Banken für Überbrückungskredite; Bankern zu erklären, wie das Buchgeschäft funktioniert, ist nämlich alles andere als einfach."

Neue Autoren in alter Tradition

Heute erscheinen bei Thienemann Bücher für die Altersgruppen zwischen drei und 16 Jahren, vom hochwertigen Bilderbuch bis zum Roman für junge Erwachsene. Derzeit sind 700 Titel lieferbar, jedes Jahr erscheinen etwa 220 neue. Einschließlich der Lizenzgeschäfte erwirtschaftet der Verlag jährlich rund 13 Millionen Euro.

Zu den "Großen" wie Preußler und Ende sind längst Autoren der "zweiten Generation" gekommen, die bei Thienemann ihre ersten Bücher veröffentlicht haben und inzwischen ebenfalls auf dem Weg zu Klassikern der Kinderliteratur sind. Joachim Friedrich, dessen witzige Detektiv-Serie "41/2 Freunde" bereits in 16 Sprachen übersetzt wurde etwa – oder Michael Borlik, dessen Abenteuerreisen in phantastische Welten mit den Werken von Ende und Tolkien verglichen werden. Der Verlag bemüht sich ständig, neue Talente zu finden und zu fördern. Zurzeit steht das Bilderbuchprogramm im Fokus. Zu den neuen, Erfolg versprechenden Autoren gehören Daniel Napp mit seinem "Dr. Brumm" und Daniela Kulot mit ihrem ungewöhnlichen Liebespaar "Krokodil und Giraffe".

Pro Jahr bekommt der Verlag 2.500 unverlangte Manuskripte zugesandt, auf den Buchmessen stehen Autoren und Illustratoren Schlange, wenn Thienemann zur "Audienz" ruft. "Alle Manuskripte werden mindestens durch das Vorlektorat angelesen, es wäre falsch, sich nicht darum zu kümmern, schließlich haben wir auch Daniela Kulot und Daniel Napp so entdeckt", sagt Klaus Willberg.

Lukrative Zielgruppe Mädchen – Jungen benachteiligt

Heute will man Erfolge weniger denn je dem Zufall überlassen. So werden beim Wiener Kinderbuchverlag Gabriel, den Thienemann vor zehn Jahren gekauft und integriert hat, Themen für moderne religiöse und ethische Bilder-, Kinder- und Jugendbücher definiert und vorgegeben. "Dazu suchen wir Autoren, die diese Themen umsetzen", erklärt Klaus Willberg.

Die Marke "Planet Girl – Meine Welt voller Bücher" für Mädchen ab fünf Jahren und junge Frauen ist ebenfalls ganz auf die Lesebedürfnisse dieser Zielgruppe abgestimmt. "Tatsächlich macht Thienemann seit vielen Jahren mit Begeisterung Bücher für Mädchen und junge Frauen", sagt Klaus Willberg. "Das sind echte Leserratten, dazu neugierig und offen für die unterschiedlichsten Themen." Über acht Millionen Bücher der zu Planet Girl gehörenden Reihe "Freche Mädchen – freche Bücher!", die zurzeit der Renner im Verlagsprogramm ist, sind bereits verkauft worden. Das Leseverhalten von Jungen macht dem Verleger hingegen Sorgen: "Jungen bekommen zuhause zu 99 Prozent von Frauen vorgelesen, in der Schule haben sie eine Klassenlehrerin. Auch hier im Verlag bestimmen Frauen darüber, welches Manuskript zu einem Buch wird." Klaus Willberg wünscht sich mehr Männer, vor allem Väter, die ihren Kindern vorlesen. "Dann wäre Lesen auch für Jungs viel cooler."

http://www.thienemann.de