Wie sich die Elektromobilität auf die künftige Anzahl der industriellen Arbeitsplätze in der Region Stuttgart auswirkt, hängt vor allem von der Geschwindigkeit des Wandels ab. Dies geht aus einer Studie des Stuttgarter IMU-Instituts im Auftrag der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS) und der IG Metall Region Stuttgart hervor, die erstmals Zahlen für die Region vorlegt. Verbreiten sich elektrische Antriebe schnell, droht demnach ein Verlust von bis zu 10.000 Arbeitsplätzen (rund 4,8 Prozent). Bei einer langsamen Verbreitung elektrischer Antriebe halten die Wissenschaftler dagegen sogar einen Arbeitsplatzzuwachs von bis zu 6.300 Jobs (rund 3 Prozent) für möglich.
Um die Arbeitsplatzbilanz möglichst günstig zu gestalten, sei es notwendig, den Strukturwandel aktiv zu begleiten und möglichst viele Komponenten für Elektromobilität in der Region anzusiedeln. Dazu müssten die Akteure innerhalb der Region eng zusammenarbeiten, heißt es in der Studie. Vor allem die Möglichkeiten des Transformationsbündnisses Automobilwirtschaft Region Stuttgart sollten für Informations- und Beratungsangebote stärker genutzt werden.
„Die Ergebnisse der IMU-Studie zeigen, wie stark die Region Stuttgart von den Transformationsprozessen betroffen ist“, erklärte WRS-Geschäftsführer Dr. Walter Rogg. „Elektrische Antriebe werden rasch zunehmen, wenn sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen weiter verschärfen. Deshalb bietet die regionale Wirtschaftsförderung vor allem kleinen und mittleren Unternehmen Unterstützung mit dem Fokus auf Beschäftigungsveränderungen und Qualifizierung an. Um die Ansiedlung neuer Komponenten zu forcieren, unterstützen wir zudem Kommunen und Unternehmen beim Gewerbeflächenmanagement.“
Nadine Boguslawski, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Stuttgart und Branchenverantwortliche für die IG Metall Region Stuttgart, unterstreicht: „Als automobilfokussierte Region sind wir existenziell von der Transformation betroffen. Unser Trumpf: Wir sind mit qualifizierten Fachkräften, einer durchgehenden Wertschöpfungskette und einem gemeinsamen Verständnis für die Notwendigkeit von Industriepolitik gut aufgestellt. Gemeinsames Ziel muss es sein, dass die neuen Komponenten für Elektromobilität an regionalen Unternehmensstandorten gefertigt werden, um Beschäftigung zu sichern. Dies gelingt nur durch eine aktive Gestaltung des Strukturwandels – in einem gemeinsamen Handeln der betrieblichen Interessenparteien sowie der regionalen Akteure. Dazu gehört aber auch, dass wir parallel zur Transformation die Potenziale des Verbrennungsmotors als Übergangstechnologie heben.“
Die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass durch die Verdrängung des Verbrennungsmotors einerseits Beschäftigung in der Automobilwirtschaft wegfällt (fade-out). Andererseits kann die Produktion elektrischer Antriebe neue Beschäftigung generieren (fade-in).
Für alle 210.900 Beschäftigten des regionalen Automobilclusters werden bis 2030 daher unterschiedliche Beschäftigungseffekte erwartet:
- Bei einer langsamen Verbreitung elektrischer Antriebe („moderates Szenario“, Anteil von 15 Prozent batterieelektrischer Antriebe im Jahr 2030) ist eine stabile Beschäftigung zu erwarten. Durch Teilhabe am weltweiten Wachstum und die fade-in-Effekte sind sogar weitere Beschäftigungszuwächse von bis zu 6.300 Arbeitsplätzen (rund 3 Prozent) möglich.
- Dagegen ist eine schnellere Zunahme elektrischer Antriebe („progressives Szenario“, Anteil von 52 Prozent batterieelektrischer Antriebe im Jahr 2030) – trotz deutlich größerer fade-in-Effekte – mit einem Beschäftigungsabbau um rund 10.000 Beschäftigte (rund -4,8 Prozent) verbunden.
Die verantwortlichen Projektleiter bei der IMU Institut GmbH, Dr. Martin Schwarz-Kocher und Sylvia Stieler, sehen regionalpolitischen Handlungsbedarf: „Wir empfehlen, den praxisnahen Wissenstransfer weiter auszubauen, Standortkompetenzen aufzubauen, die Standortattraktivität zu erhöhen, betriebliche Innovationsteams zu fördern, das Beratungsangebot insbesondere für KMU zu erweitern und die Beschäftigten mit Qualifizierungskonzepten und -angeboten zu begleiten.“
Die Transformation wird die vom Antriebsstrang abhängigen Betriebe besonders treffen. Am stärksten gefährdet sind Arbeitsplätze bei der Komponentenfertigung und im Bereich Forschung und Entwicklung. Relativ unbeeinflusst vom Umbau zur Elektromobilität werden hingegen Beschäftigte in den Montagewerken der Hersteller und der Zulieferer sowie deren Verwaltungsbereiche sein.