Auf der Jagd nach dem Fehlerteufel

Die Franz Kapp GmbH lebt seit mehr als 35 Jahren von fehlenden Buchstaben und fehlerhaften Seiten

Helena Kapp weiß, wie man Missgeschicke beim Druck unsichtbar macht.
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© Kapp GmbH

Beschädigte Einbände, fehlende Buchstaben – beim Drucken kann alles Mögliche passieren. Davon lebt die Franz Kapp GmbH aus Dettingen unter Teck. Seit 1976 bessern Geschäftsführerin Helena Kapp und ihre Mitarbeiterinnen Fehler in Büchern, Prospekten und Katalogen aus – von einzelnen Exemplaren bis zu Auflagen von mehreren tausend Stück. Jahrelange Erfahrung, Experimentierfreudigkeit und Schnelligkeit sind ihre Stärken. Mit Kapps Hilfe sparen die Kunden, zu denen Verlage, Druckereien und Werbeagenturen gehören, Zeit und Geld, denn Nachdrucken wäre teurer. Wenn es mal besonders schnell gehen muss, reist Helena Kapp auch nach Chicago, Venedig oder Oslo, um Fehler vor Ort auszubügeln.

Wer kürzlich auf der Frankfurter Buchmesse war, konnte sie sehen: Frauen mit gelben T-Shirts, auf denen „Unsere Hände retten Ihre verdruckten Auflagen“ zu lesen war. Die Mitarbeiterinnen der Franz Kapp GmbH, einer Buchbinderei aus Dettingen unter Teck in der Region Stuttgart, geben jedes Jahr aufs Neue die mobilen Werbetafeln. Doch angesprochen werden sie kaum. „Viele der anwesenden Verlage kennen uns und haben unsere Dienste auch schon in Anspruch genommen, möchten es aber nicht öffentlich zugeben, denn Fehler werden ja nie gerne eingestanden, einige drehen sich sogar weg, wenn sie uns kommen sehen“, sagt die Geschäftsführerin Helena Kapp. „Das finde ich nicht schlimm, denn wenn Not am Mann ist, sind sie froh, dass es uns gibt. Dann leisten wir Erste Hilfe, und kümmern uns um fehlende Buchstaben, vertauschte Seiten, falsche Zahlen oder beschädigte Einbände.“ Helena Kapp weist dann keinen ab, dazu liebt sie ihre Arbeit viel zu sehr.

In ihrer Rolle als helfende Feuerwehr fühlt sich Helena Kapp sichtlich wohl. Die Mutter dreier erwachsener Kinder weiß, dass Fehler passieren – vor allem aber weiß sie, wie man sie verschwinden lässt. „Das kann man nicht in ein paar Tagen lernen, Erfahrung und ein gesundes Maß an Experimentierfreudigkeit muss man schon haben. Hinzu kommen noch die Schnelligkeit, unsere große Stärke, und das gute Gefühl, wieder etwas ausbügeln und helfen zu können“, erklärt Helena Kapp das Geheimnis ihres Erfolgs.

Aus der Not eines jungen Verlegers entsteht die Geschäftsidee

Angefangen hat alles im Jahr 1976 – wie so oft durch Zufall. Franz Kapp – Helena Kapps Ehemann -, der als selbstständiger Buchbindermeister Aufträge im deutschsprachigen Raum akquirierte, brachte kurz vor Weihnachten von einem jungen Verleger den Bildband über die „Biere der Welt“ mit. In einer Überschrift fehlten die Buchstaben „n“ und „d“ – „Irland“ war zu „Irla“ geschrumpft. Die Auflage von 15.000 Stück, die in Spanien produziert worden war, ließ sich so unmöglich verkaufen. Für einen Nachdruck, der überaus kostspielig gewesen wäre, war es außerdem zu spät. Die Kapps hatten einen Geistesblitz. Im so genannten Letraset-Verfahren, bei dem Normbuchstaben von Folien auf Papier übertragen werden, sollte die Auflage gerettet werden. Helena Kapp aktivierte Mütter aus der Krabbelgruppe ihres Sohnes, fuhr mit ihnen in den Verlag und rubbelte Abend für Abend die fehlenden Buchstaben von Hand in jedes Buch hinein. Der Verleger war hingerissen.

Diesem ersten erfolgreichen Auftrag folgten viele weitere. „Nun hatte ich Feuer gefangen, anfangs arbeitete ich noch mit Aushilfskräften, denn ich wusste nie, wann ein Auftrag ins Haus kommen würde“, sagt Helena Kapp. „Später konnte ich abschätzen, wie viel Zeit ich wofür brauche und habe Mitarbeiterinnen fest eingestellt.“ Im Laufe der Zeit wurden die Techniken verbessert und ergänzt, mit denen heute Fehler eliminiert oder Seiten ausgetauscht werden. Dabei ist fast alles Handarbeit. Beispielsweise wenn ein fehlendes Inhaltsverzeichnis nachträglich in Bücher einzusetzen ist oder einzelne Seiten herauszutrennen sind.

Jeder neue Auftrag ist eine Herausforderung

Vom einzelnen Exemplar bis zu einer Auflage von mehreren tausend Stück bearbeiten die 18 Mitarbeiterinnen Bücher, Prospekte und Kataloge. 8.000 gewechselte Seiten am Tag sind keine Seltenheit, und Termindruck gehört zum Alltag. „Kunden in Not stehen erst einmal Kopf“, so Helena Kapp. Um jedem Helfen zu können, muß die Arbeitsplanung bei den Kapps stets flexibel sein. Bei großen Auflagen wird oft eine Teilauflage repariert, die beispielsweise zeitnah zu einer Messe oder Präsentation fertig werden muss. „Bisher haben wir terminlich alles gestemmt, auch wenn einige von uns auf Urlaub verzichten mussten“, sagt Helena Kapp. So geschehen bei der Jubiläumsschrift eines großen Industrie-Unternehmens aus Stuttgart: Aufgrund von Schmutzpartikeln auf der Druckplatte fehlten auf fünf Seiten einzelne Buchstaben; diese Seiten mussten ausgetauscht werden. „Das war für das Unternehmen allemal günstiger, als nachzudrucken zu lassen und der Laie bemerkt den Austausch kompletter Seiten gar nicht“, sagt Helena Kapp. „Mit unserer Hilfe sparen unsere Kunden Zeit und Geld.“ Sollte ein Neudruck günstiger sein, rät sie aber zu und verzichtet auf den Auftrag.

Verwechselte Vorworte in Museumsführern, falsche PS-Angaben in Automobilprospekten, fehlerhafte Geschäftsberichte von Banken oder ein „Cristo“ mit „h“ auf dem Rücken eines frommen portugiesischen Buches – für die Kapp GmbH gibt es fast keine nicht korrigierbaren Fehler. Und wenn es nach einem Druck-Unfall mal überaus schnell gehen muss, reist Helena Kapp auch mal nach Chicago, Venedig oder Oslo, um die Fehler vor Ort auszubügeln. Denn die Aufträge kommen nicht nur aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, sondern auch aus den USA, China, Singapur, Hong Kong, Spanien, Italien, Frankreich, Schweden oder den Niederlanden.

Auch die nächste Generation sucht Fehler

Solange Menschen und Maschinen Fehler machen, werden die Dienstleistungen der Kapp GmbH gebraucht. „Einige Menschen meinen, ich könne meine Preise beliebig hoch ansetzen, da ich mit meiner Geschäftsidee in eine Marktnische gestoßen bin“, sagt die 61-jährige Helena Kapp. „Wir wollen uns aber nicht am Schaden anderer bereichern, sondern versuchen, im Interesse des Kunden die Kosten so gering wie möglich zu halten.“

Sohn und Tochter, die bereits als Kinder mit dem Konfektionieren von Büchern ihr Taschengeld verdient haben, hat Helena Kapp schon mit ins Boot genommen. Den Sohn als technischen Leiter, der sich um alle Belange rund um die Maschinen kümmert; die Tochter, gelernte Buchbinderin, denkt darüber nach, ihre Arbeit künftig wie ihre Mutter dem Entfernen von Druckfehlern zu widmen. Denn das macht anscheinend glücklich. „Ich kann mir keinen schöneren Beruf vorstellen“, erklärt Helena Kapp jedenfalls.

http://www.kapp-gmbh.de