Die kleinen und mittleren Automobilzulieferer in Baden-Württemberg investieren zu wenig in Forschung und Entwicklung (FuE) und riskieren so ihre Zukunftsfähigkeit. Mit einem Anteil der FuE-Ausgaben von nur 2,6 Prozent am Umsatz liegen die baden-württembergischen Zulieferbetriebe im Vergleich zu anderen deutschen Automobilzulieferregionen an letzter Position. Das ergab eine aktuelle Studie, die das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI im Auftrag von Wirtschaftförderung Region Stuttgart GmbH (WRS) und Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart erstellt hat. Dazu wurden Informationen über baden-württembergische Automobilzulieferer mit denen aus Nordrhein-Westfalen (NRW), Bayern sowie Sachsen und Thüringen verglichen. Außerdem wurden rund 100 Zulieferbetriebe aus der Metropolregion Stuttgart befragt.
Die Mehrzahl der mittelständischen baden-württembergischen Automobilzulieferer ist demnach für den anstehenden Strukturwandel eher schlecht gerüstet. Generelle Innovations- und Technologiedefizite, unzureichendes Bewusstsein über die Auswirkungen des anstehenden Übergangs zur Elektromobilität für das eigene Unternehmen, eingeschränkte Informationsbasis und zu wenig Produktentwicklungen für Komponenten alternativer Antriebstechnik kennzeichnen die aktuelle Situation in der Automobilzulieferindustrie im Land. Damit sind die baden-württembergischen Zulieferunternehmen im Vergleich mit anderen deutschen Standorten nicht führend, sondern bestenfalls im Mittelfeld.
Dabei könne die Zukunftsfähigkeit der Automobilzulieferbranche laut WRS und IHK gar nicht hoch genug bewertet werden: Für die deutschen Automobilhersteller bildet die baden-württembergische Zulieferindustrie den wichtigsten Eckpfeiler. Auf das Land entfallen fast ein Viertel aller Zulieferfirmen – rund 600 Betriebe mit insgesamt 185.000 Beschäftigten. Der baden-württembergische Fahrzeugbau insgesamt besitzt einen Anteil von rund 20 Prozent an der deutschen und rund fünf Prozent an der weltweiten automobilen Wertschöpfung.
„Auch wenn der Verbrennungsmotor noch viel Entwicklungspotenzial hat, steht die Automobilindustrie mit dem Übergang zur Elektromobilität technologisch und strukturell vor einem tiefgreifenden Wandel. Die Zulieferer müssen sich jetzt darauf vorbereiten, wenn sie in Zukunft in diesem Markt mitmischen wollen“, erklärt IHK-Präsident Dr. Herbert Müller. Angesichts der Tatsache, dass viele Unternehmen die Tragweite des Themas noch gar nicht erkannt haben und zu wenig in FuE investieren, muss die Politik für eine bessere Breitenwirksamkeit der Forschungsförderung einsetzen, etwa durch steuerliche FuE-Förderung“, so Dr. Müller.
„Insgesamt können die kleinen und mittleren Zulieferfirmen ihre Innovationsaktivitäten bei der Elektromobilität noch steigern. Es gibt aber auch positive Beispiele: So entwickeln im Rahmen der Modellregion Elektromobilität Region Stuttgart mehrere kleine Automobilzulieferer aus der Region gemeinsam einen Nachrüstsatz für einen Kleintransporter, mit dem ein konventioneller Verbrennungsmotor zu einem Hybridmotor umgerüstet werden kann“, sagt WRS-Geschäftsführer Dr. Walter Rogg.
Die Untersuchungen von Fraunhofer zeigen, dass etwa zwei Drittel der baden-württembergischen Automobilzulieferindustrie der Ansicht sind, dass die durch die Elektromobilität einsetzenden Veränderungen es nicht rechtfertigen, sich intensiver mit dieser Materie zu befassen. Rund zwei Fünftel der befragten Automobilzulieferer kommen zu dem Schluss, dass ihr Geschäft durch die sich abzeichnenden technologischen Entwicklungen nicht tangiert sei. Bei den Informationsquellen zur Elektromobilität vertrauen KMU eher auf Kunden-Informationen und Fachpresse als auf Forschungsergebnisse. Lediglich ein Drittel der kleinen und knapp die Hälfte der mittleren Automobilzulieferfirmen haben bereits damit begonnen, Produkte zu entwickeln, die als Zulieferteile oder Zulieferkomponenten für neue Antriebstechnologien Nachfrage finden können.
Im Vergleich mit Automobilzulieferern in NRW, Bayern, Sachsen und Thüringen können baden-württembergische Unternehmen schon heute nur unterdurchschnittliche Umsätze mit Produktneuheiten realisieren. Auch ist laut Untersuchung das Kooperationsverhalten baden-württembergischer Automobilzulieferer vor allem bei Produktinnovationen zu Kunden und im Feld der Prozessinnovationen zu Forschungsinstituten weniger stark ausgeprägt.
IHK und Wirtschaftsförderung Region Stuttgart fordern von der Politik vor allem mehr Förderung mit Breitenwirkung. Notwendig ist beispielsweise eine unbürokratische steuerliche FuE-Förderung, etwa in Form einer Steuergutschrift auf FuE-Personalkosten. Auf Landesebene haben sich darüber hinaus die Innovationsgutscheine für Unternehmen mit bis zu 100 Beschäftigten bewährt. Hilfreich wäre eine Öffnung der Maßnahme für Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern. Weiter sollte die „Förderlücke“ zum Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand des Bundes (ZIM) geschlossen werden. Dazu müssten die bisher maximal zuwendungsfähigen Kosten für alle antragsberechtigten Unternehmen deutlich erhöht werden.
IHK und Wirtschaftsförderung Region Stuttgart seien bereit, die neue Landesregierung bei der Umsetzung dieser vorgeschlagenen Maßnahmen zu unterstützen, beispielsweise bei der Optimierung der Förderinstrumente oder bei der Verbesserung des Technologietransfers in kleine und mittlere Zulieferbetriebe, so Dr. Müller und Dr. Rogg.
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