BRÜSSEL: Die deutsche Industrie spielt eine führende Rolle bei der Einführung von Industrie 4.0 in Europa. Dies sagte Holger Kunze, Leiter des Europabüros des Maschinenbauverbands VDMA in Brüssel vor einer Delegation der Regionalversammlung. Mit einem europäischen Marktanteil von 40 Prozent habe der deutsche Maschinenbau hier automatisch eine Führungsposition. Bei seinem Vortrag in den Räumen der Europäischen Kommission nannte er Industrie 4.0 ein „ebenso deutsches wie europäisches Thema“, denn Initiativen gebe es auch in Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden, „aber die Kooperation steht erst am Anfang. Industrie 4.0 ist auf Vernetzung angelegt, wir müssen uns auch über die Grenzen hinweg vernetzen. Dazu müssen wir einen einheitlichen Rahmen, sprich einen Binnenmarkt für Industrie 4.0 schaffen.“
Maschinenbau im Mittelpunkt der Industrie 4.0
Als Lieferant und gleichzeitig Nutzer von intelligenter Produktionstechnik stehe der Maschinenbau im Mittelpunkt bei der Zukunft der Industrie, so Kunze weiter. Individualisierte und selbststeuernde Produktion, der vermehrte Einsatz von IT und die Kommunikation zwischen Maschinen und Werkstück sind prägende Merkmale der Produktionsweise, die unter dem Begriff Industrie 4.0 bekannt ist. Der Experte betonte die großen Chancen, die hoch vernetzte Produktionsverfahren für den Industriestandort Europa bieten. „Individualisierte Massenproduktion ist nur bei kurzen Wegen möglich. Vielleicht können wir so die T-Shirt-Produktion wieder nach Europa holen.“ Zuvor müssten aber noch zahlreiche Probleme gelöst werden, von Haftungsfragen bis hin zum Ausbau des Breitbandnetzes. Auch europäische Standardisierungen bei der Software fehlten noch. Kunze forderte eine Debatte über einen Industrie 4.0-Binnenmarkt. Die neue Binnenmarktstrategie greife das Thema nicht auf.
Eine Führungsrolle der deutschen Industrie sieht auch Dr. Mark Nicklas von der Generaldirektion Binnenmarkt Industrie, Unternehmertum und KMU der Europäischen Kommission. „Bei Industrie 4.0 gibt es überall Initiativen, aber Deutschland ist am besten aufgestellt“, betonte er. Auch die duale Ausbildung sei ein großer Standortvorteil für Deutschland. Ganz Europa sei nach wie vor Weltklasse in der Industrie, aber nie mehr auf das Investitionsvolumen von vor der globalen Wirtschaftskrise im Jahr 2009 gekommen. Vor allem der Innovationsanteil am Weltmarkt sei zurückgegangen, berichtete Nicklas in seinem Vortrag. „In Europa gibt es kaum Weltunternehmen, die jünger als 30 Jahre sind“, bedauerte er. Die „Modernisierung der Industrie“, wie Industrie 4.0 in der EU-Verwaltung genannt wird, erfordere große Investitionen in Maschinen, Forschung und Entwicklung, Qualifizierung, Design und Software. Die EU-Kommission fördere dazu Kooperationen, die Beschaffung von Risikokapital und unterstütze kleine und mittlere Unternehmen, etwa durch das Forschungsrahmenprogramm oder mit Hilfe der regionalen Investitionsplattform. „Was fehlt, ist eine bessere Verzahnung der einzelnen Programme“, schätzt Nicklas die aktuelle Situation ein.
In der Region Stuttgart erhalten speziell die mittelständischen Maschinenbauer Unterstützung von der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS), etwa durch die Vorstellung guter Praxisbeispiele aus dem Mittelstand und durch die strategieorientierte Vertiefung des Themas. Regionale Kompetenzzentren widmen sich ebenfalls verstärkt Industrie 4.0, genau wie das Landesnetzwerk Manufuture-BW, dessen Geschäftsstelle bei der WRS angesiedelt ist. (hel)
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