Tonstudios gibt es an jeder Ecke, doch Computer, Soundkarten und Eierkartons an den Wänden garantieren noch lange keine Qualität. Was ein Studio einzigartig macht, ist Erfahrung, Sensibilität für Musik und Künstler und Spitzentechnik. Bei Produzenten und Musikern hat sich die Bauer Studios GmbH in Ludwigsburg in über 50 Jahren einen Ruf erarbeitet, der weit über die Region Stuttgart hinaus reicht. Von Rolf Bauer im Jahr 1949 gegründet, sind die Bauer Studios die älteste private Einrichtung ihrer Art in Deutschland und gehören zu den ersten Adressen für Aufnahmen im Bereich Jazz und Blasmusik. Zu den spektakulärsten Aufnahmen aus Ludwigsburg zählen der legendäre Livemitschnitt von Keith Jarretts „Köln-Konzert“ und Aufnahmen von Stevie Wonder, Miles Davis und Chick Corea. Auch das Stuttgarter Kammerorchester und die neuen Egerländer Musikanten nehmen regelmäßig bei Bauer auf. Selbst bei Sprachaufnahmen sind die Ludwigsburger top: Will Quadflieg, Bruno Ganz und Hans-Dieter Hüsch haben die Studios, die heute von Rolf Bauers Tochter Eva Bauer-Oppelland geleitet werden, schätzen gelernt.
Aziza Mustafa Zadeh, Cecilia Bartoli, Paquito DRivera, Giora Feidman, Yehudi Menuhin, Wolfgang Dauner, Peter Herbolzheimer, Pat Matheny, Mikis Theodorakis, Konstantin Wecker, Kassandra Wilson – die Liste der Musiker aus aller Welt, die in den vergangenen 50 Jahren zu Tonaufnahmen in die Ludwigsburger Bauer Studios kamen, liest sich wie das Who-is-who der Jazz-, Opern-, Orchester- und Weltmusikszene. Was ab 1949 zunächst als Angebot zur Gesangs- und Sprachkontrolle für Sänger und Sprecher gedacht war, entwickelte sich schnell zu einem der gefragtesten deutschen Studios. Die ersten Künstler, die sich auf Rolf Bauers Können verließen, waren Gotthilf Fischer und der damals am Staatstheater Stuttgart engagierte Sänger Wolfgang Wunderlich.
Technisch hatte die Bauer Studios GmbH von Anfang an die Nase vorn, bereits Ende der 1950er Jahre hielt die Stereofonie Einzug; in den 60er Jahren folgte die damals brandneue Mehrspurtechnik. Zu den Höhepunkten der 70er Jahre zählen Tourneemitschnitte von Peter Alexander, Udo Jürgens und Mireille Matthieu; das Top-Ereignis war aber der legendäre Live-Mitschnitt von Keith Jarretts „Köln-Konzert“ im Januar 1975. „Schon als Jugendliche habe ich die Tournee von Peter Alexander betreut, Helmut Zacharias hat viele Produktionen eingespielt, und Manfred Krug seine erste Platte in Westdeutschland bei uns eingesungen“, erzählt die heutige Chefin und Toningenieurin Eva Bauer-Oppelland. Auch als zu Beginn der 1980er Jahre die Digitaltechnik eingeführt wurde und wenige Jahre später, als die Bereiche Mastering und Herstellung konsequent ausgebaut wurden, war Bauer unter den Ersten – aber ohne Bewährtes zu vernachlässigen. „Wir arbeiten immer mit der neuesten verfügbaren Technik, können bei Bedarf aber jederzeit auf bewährtes Know-how zurückgreifen“, erklärt Eva Bauer-Oppelland. „Wir sind jederzeit in der Lage, Orchester nach Bedarf zusammenzustellen, Streicher- und Bläsersätze zu koordinieren; aber auch kleinere Besetzungen und immer mehr Rock-, Pop- und
Hiphop-Bands nehmen bei uns auf.“
Studio 1 für feinsten Jazz
Mit vier fest angestellten und mehreren freien Tonmeistern kann Bauer jedes Bandformat bedienen und jede Art von Tonträger liefern. Die Verbindung aus Kompetenz, Erfahrung, Technik, Service und der ganz persönlichen Atmosphäre, die die Studios über die Grenzen hinaus bekannt gemacht hat, schaffen offenbar jene Mischung, die Musiker brauchen, um das Beste aus sich herauszuholen. Eine der Spezialitäten, die viele Musiker aus den Bereichen Jazz, Klassik, World und Blasmusik besonders zu schätzen wissen, ist die reiche Erfahrung mit Aufnahmen von akustischen Instrumenten und großen Klangkörpern. „Unser 55 Quadratmeter kleines Studio 2 wurde speziell für Sprachaufnahmen konzipiert, hier ist der Klett-Schulbuchverlag aus Stuttgart ein wichtiger Kunde, es wird aber auch für kleinere Musikaufnahmen genutzt“, sagt Eva Bauer-Oppelland. Der „Star“ ist aber das Studio 1 mit 180 Quadratmetern Fläche und sieben Metern Höhe; es gehört zum Besten was es im Studiobereich überhaupt gibt und eignet sich für Aufnahmen mit großen Orchestern und akustischen Ensembles. Hinzu kommen Solistenstudio, Schlagzeugkabine sowie mobile Wände für die akustische Trennung einzelner Solisten und Instrumente. Jazzer lieben den großen Steinway-Konzertflügel und die originale Hammond-Orgel. Neben der schon legendären Akustik im Studio 1 ist die Qualität der Toningenieure berühmt. „Wir machen Produktionen für viele berühmte Jazzlabels, unser Verständnis für diese Musik erfordert ausgebildete Tonmeister, die auch Musik studiert haben und jede Partitur lesen“, erklärt Eva Bauer-Oppelland. „So können sie sich mit Künstlern und Produzenten gleichermaßen verständigen.“
Egerländer treffen Kuba
Das Flaggschiff im Regieraum ist die AMS-Neve-VXS-Konsole, eines der besten und teuersten Mischpulte, die je hergestellt wurden, im Wert von einer halben Million Euro. Der Unterschied zu Standard-Equipment muss so deutlich zu hören sein, dass Musiker aus aller Welt, die Wert auf natürliche Klangräume legen, nach Ludwigsburg pilgern. Solche idealen Bedingungen sprechen sich herum. „Diese Mundpropaganda ist für uns besonders wichtig“, erklärt Eva Bauer-Oppelland. „Wenn Jazzer wie Chick Corea uns weiterempfehlen, dann ist das eine hochwertige Bestätigung unseres Könnens.“ Da auch Filmmusik ein Schwerpunkt bei Bauer ist, wächst dem Neve-Pult, ein ideales Werkzeug zur Herstellung von Mehrkanalmischungen für Kino und DVD, große Bedeutung zu. So wurde mit dem German Pops Orchestra, einem Orchester für Symphonic-Rock-Konzerte, Filmmusik- und Studio-Produktionen unter anderem der Soundtrack für „Anatomie 1“ eingespielt.
Der überragende Ruf der Bauer Studios im Bereich der Blasmusik geht auf die Entwicklung des „Egerländer-Sounds“ zurück, den der frühere Bigband-Jazzer Ernst Mosch gemeinsam mit einem Bauer-Tonmeister in den 1970er Jahren entwickelte. „Mit seinem Verständnis von Blasmusik betrat Ernst Mosch musikalisches neuland“, sagt Eva Bauer-Oppelland. „Nach seinem Tod machten die neuen Egerländer weiter, sie nehmen bei uns bereits ihre vierte CD auf.“ Wenn ihr Blasmusik-Gegner allzu forsch kommen, verweist sie nur auf die vom Staatsorchester Stuttgart eingespielte konzertante Blasmusikversion von Rossinis „Wilhelm Tell“. „Die Kritiker täten gut daran, einzusehen, dass Blasmusik eben nicht gleich Blasmusik ist. Zurzeit laufen bei uns Aufnahmen des Landesblasorchesters; die 80 Musiker, Harfe, Flügel, Streichbässe und Perkussion eingeschlossen, produzieren einen symphonischen Klang, der einem den Atem raubt“, verteidigt Eva Bauer-Oppelland „ihre“ Blasmusik. „Aber selbstverständlich bieten wir auch in diesem Bereich die komplette Bandbreite an, einschließlich der volkstümlichen Schiene. Letztlich wird auch diese Musik von echten Menschen mit echten Instrumenten gemacht.“
Wen wunderts, dass bei Bauer mit Big Band- und Weltmusik ein weiterer Genreschwerpunkt gepflegt wird. Sie habe mit herausragenden kubanischen Musikern gearbeitet, als Ry Cooder noch nicht einmal gewusst habe, wo Kuba liegt, scherzt die Chefin. „Da hatte Wim Wenders mit dem Buena Vista Social Club noch lange nichts am Hut.“ Für Aufnahmen vor Ort reist ein Bauer-Tonmeister ein bis zwei Mal jährlich in die Karibik. Diese Produktionen sind Studioproduktionen in digitaler Mehrspurtechnik, die Nachbearbeitung folgt in Ludwigsburg. Dass solche Aufnahmen bereits fünf Mal für Grammys nominiert wurden, spricht für sich.
Das Wichtigste ist, hochqualitative, zeitlose und schöne Musik zu liefern
Seit Jahren betreiben die Bauer Studios mehrere eigene CD-Labels. Unter dem Label „B ton“ wird das ganze Spektrum der Blasmusik veröffentlicht; während sich das Label „Animato“ ausschließlich der Klassik widmet. Das „Neuklang“-Repertoire umfasst außergewöhnliche neue Werke zeitgenössischer Künstler und Jazz. Musikalische Kostbarkeiten aus aller Welt für Liebhaber bietet das seit zehn Jahren bestehende audiophile Label „Peregrina Music“. „Diese Platten geben den Aufnahmeraum in seinen Dimensionen exakt wieder, Auflösung und Brillanz und reichen im Frequenzspektrum von den luftigsten Höhen bis in den tiefsten Basskeller“, erklärt Eva Bauer-Oppelland. „Die Namensgeberin Peregrina war eine Vagabundin zwischen den Kulturen der Welt, und auch Peregrina Music spannt den Bogen vom
Orient zum Okzident, vom nördlichen zum südlichen Europa und führt zu inspirierenden Ausflügen nach Südamerika und Afrika.“ Auf diese Weise bringt sie so unterschiedliche Künstler und Ensembles wie Simon Jeffes, das Penguin Café Orchestra, Donna Africa, Mikis Theodorakis oder Paquito D`Rivera zusammen.
Für Eva Bauer-Oppelland ist es vor allem die Vielfalt der Musik, die sie den Hörern nahe bringen möchte: „Die meisten Radiosender richten ihre Programme einseitig am Mainstream aus, Nischen für Weltmusik, Jazz oder Blasmusik gibt es nur vereinzelt.“ So wird das älteste private Studio Deutschlands seiner Linie treu bleiben und neben Produkten für den Massengeschmack auch auf Qualität und etwas Extravaganz setzen.
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