Tiefkühlprodukte sind aus Supermärkten und Küchen schon lange nicht mehr wegzudenken. Für gläubige Muslime allerdings waren Tiefkühlnahrungsmittel lange Zeit tabu, da angenommen wurde, sie entsprächen nicht den Bestimmungen des Korans hinsichtlich Reinheit und Verarbeitung – und seien also nicht "halal". Erst seit zehn Jahren können auch gläubige Anhänger des Propheten Mohammed Köfte, Cevapcici, Bratrollen und Türkische Pizza aus der Tiefkühltruhe essen. Dank Sami Erkurt aus Altbach bei Stuttgart, dessen Firma Itikat Helal GmbH im Jahr 1994 begann, mit Tiefkühllebensmitteln für gläubige Muslime zu handeln. Er ist damit in eine Marktlücke gestoßen, denn aus dem kleinen Lieferwagen, mit dem der gebürtige Türke mit deutscher Staatsbürgerschaft anfing, ist ein europaweites Versorgungsnetz geworden. Itikat lässt nach eigenen Rezepturen bei Auftragsunternehmen küchenfertige Ware herstellen und über elf europäische Vertriebsfilialen verteilen. So hat Sami Erkurt allein in Deutschland über 70 Arbeitsplätze geschaffen.
Viele ehemalige Landsleute erinnern sich an Sami Erkurt als Besitzer eines kleinen türkischen Supermarktes im Stuttgarter Stadtteil Bad Cannstatt. Dass er inzwischen Geschäftsführer eines europaweit agierenden mittelständischen Unternehmens ist, kann er selbst immer noch nicht recht glauben. Am Anfang stand ein harmloses Gespräch mit einem niederländischen Geschäftsmann, der sich durch Zufall in Sami Erkurts Laden verirrt hatte. Der schlug ihm vor, doch auch Tiefkühlkost für gläubige Muslime anzubieten. "Und er hatte Recht", sagt Sami Erkurt. "Warum sollte die türkische oder arabische Hausfrau es nicht auch so einfach und praktisch haben wie die deutsche? Heute kauft sie Tiefkühlkost, die sie als gläubige Muslimin bedenkenlos auftauen, verarbeiten und essen kann."
In Deutschland hatte es diese Art von Tiefkühlkost vorher nicht gegeben – Sami Erkurt war fasziniert von der Idee, der Erste zu sein. Er nahm Kontakt zu niederländischen Fleisch- und Wurstherstellern auf, die ihre Waren nach den Bestimmungen des Korans verarbeiten, und bald entstand in einem Stuttgarter Hinterhof eine Ansammlung von Kühlzellen – die erste Distributionszentrale für Fleisch- und Wurstwaren, die natürlich erst einmal durch den Wirtschaftskontrolldienst abgenommen werden musste.
Vom kleinen Lieferwagen zur europäischen LKW-Flotte
Von da an war Sami Erkurt jeden Tag von morgens bis abends in seinem kleinen Lieferwagen unterwegs. Er klapperte einen türkischen Klein- oder Supermarkt nach dem anderen ab. Zunächst in und um Stuttgart, später in ganz Baden-Württemberg. "Anfangs war es Klinken putzen, doch nach den ersten türkischen Sätzen und der obligatorischen Frage nach der Familie, waren fast alle Ladenbesitzer von der Idee und vor allem von den Produkten begeistert", erinnert sich Sami Erkurt an die Pioniertage von Itikat.
Bald kamen die Produkte so gut an, dass Sami Erkurt die ersten Mitarbeiter anstellen musste. Gleichzeitig begann er mit dem Aufbau seiner LKW-Flotte. Was als Experiment begann, wurde schnell ein voller Erfolg und 1998 eröffnete er im hessischen Eschborn die erste Filiale. Weitere zehn Niederlassungen folgten, die jüngste Itikat-Filiale konnte er im November 2003 im westfälischen Halle eröffnen. Mittlerweile kümmern sich 30 Mitarbeiter am neu erbauten Firmensitz Altbach bei Stuttgart um Logistik, Vertrieb und Management, 45 Lieferwagen fahren für Itikat und verteilen die Produkte an rund 3.800 Kunden in ganz Europa. Sami Erkurt legt großen Wert darauf, dass die Fahrer sowohl türkisch als auch die jeweilige Landessprache beherrschen: "Wer die Waren bringt, muss sich mit den Ladenbesitzern unterhalten können. Er nimmt die Bestellung auf, bekommt Feedback und gibt mir Verbesserungsvorschläge weiter. Auf diese Weise können wir unser Sortiment ständig erweitern."
Als einzige Ausnahme unter der türkisch-deutschen Mitarbeiterschaft spricht Peter Hauptmann überhaupt kein Türkisch. Dennoch ist der Leiter der Personal- und Finanzabteilung seit der Gründung von Itikat mit an Bord. "Anfangs war ich nur stundenweise mit der Buchführung beschäftigt, dass sich das Unternehmen so flott entwickeln würde, hat keiner geahnt", sagt Peter Hauptmann.
Der "Glaube an die Reinheit" garantiert islam-konforme Nahrungsmittel
Der Begriff "Itikat" bezeichnet im Koran entlehnt den "Glauben an die Reinheit". "Alle Lebensmittel, die den Namen Itikat tragen, erfüllen diesen Anspruch", sagt Sami Erkurt. "Wir achten penibel drauf, dass in sämtlichen Ländern, in denen in unserem Auftrag Nahrungsmittel hergestellt werden, die Produktionsstätten konsequent
überwacht werden." Erst nachdem Vertreter islamischer Institutionen die Waren geprüft haben, erhalten sie das Halal-Siegel, das dem Käufer garantiert, dass die Produkte unter genauer Einhaltung des islamischen Ritus und unter Anwendung der Bestimmungen über das islamische Schlachten hergestellt wurden.
Auch deutsche Kunden greifen zunehmend oft zu Halal-Produkten
Itikat hat sich vor allem auf Rind- und Geflügelfleischprodukte spezialisiert. Hähnchenschnitzel, Rindfleischburger, Fleisch- und Gemüserollen, Türkische Pizza und auch Bulgarischer Käse werden besonders stark nachgefragt: Fertige Fleischspießchen sind vor allem in der Sommersaison beliebt und kommen der Freude der Türken am Grillen sehr entgegen. Besonderer Beliebtheit erfreut sich jedoch das – nicht gerade typisch türkische – Produkt Frankfurter Würstchen in der Halal-Version. "Vor allem im Raum Frankfurt wird es in Unmengen gekauft", hat Sami Erkurt festgestellt.
Da auch Deutsche immer öfter in türkischen Supermärkten Obst, Brot und Grundnahrungsmittel einkaufen, ist der Griff nach dem Halal Hähnchenschnitzel
oder dem Tiefkühl-Börek, der Salami oder dem Käse selbstverständlich geworden. "Wir wissen von unseren Händlern, dass sehr viele nicht muslimische Kunden unse-re Fleischprodukte kaufen – einfach weil sie ihnen schmecken, schließlich hat die Qualität der Ware nichts mit dem Glauben zu tun", sagt Sami Erkurt.
Im April 2004 feierte Itikat das zehnjährige Bestehen. Im Jubiläumsjahr will Sami Erkurt erstmals mehr als zehn Millionen Euro Umsatz machen: "Wir wollen versuchen, nun allmählich auch in den ostdeutschen Bundesländern Fuß zu fassen."