"Sich zu vernetzen, Informationen auszutauschen und Interessen gemeinsam zu vertreten ist wichtiger denn je", hat Regionaldirektorin Jeannette Wopperer zu Beginn der Woche in Brüssel gesagt. "Denn die EU gestaltet derzeit den Rahmen für die neue Strukturförderung 2014 bis 2020." Für Regionalpräsident Thomas S. Bopp "ist das genau der richtige Zeitpunkt, um die Interessen und Bedürfnisse der innovationsstarken Region Stuttgart auf europäischer Ebene einzubringen". Und darum ging es im Wesentlichen bei einer zweitägigen Delegationsreise der Regionalräte des Verbands Region Stuttgart in die europäische Hauptstadt.
Regionale Kooperationen müssen in den europäischen Förderprogrammen auftauchen, machte die Delegation gegenüber dem Direktor Politik in der Generaldirektion Regionalpolitik, Rudolf Niessler, deutlich. "Ein erster Schritt in diese Richtung, ein großer Erfolg", wie Wopperer sagte, soll im europäischen Fonds für Regionalentwicklung (EFRE) 2014 bis 2020 Einzug halten. Fünf Prozent der Gelder sollen für Städte und regionale Projekte reserviert sein, weitere 80 Prozent sollen künftig in Forschung, Innovation, kleinere und mittlere Unternehmen oder (erneuerbare) Energien fließen. Grund dafür: Stärken sollen gestärkt werden. Ein Umdenken forderte deshalb Thomas S. Bopp vom Land. "Bei den Förderanträgen sollte das Land Baden-Württemberg mehr Wert auf Innovationsfähigkeit legen", fordert er. Denn gerade die wirtschaftsstarke Region Stuttgart trage wesentlich zur Wettbewerbsfähigkeit bei. Maßgeblich für die Verteilung der Gelder ist in Baden-Württemberg das Ministerium für den Ländlichen Raum und Verbraucherschutz.
EU-Kommission setzt auf Innovation
Mehr als zehn Projekte unter Beteiligung der Wirtschaftsförderung wurden aus EFRE bereits bezuschusst, erläuterte der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH, Dr. Walter Rogg. Als Beispiele nannte er die Kompetenzzentren Packaging Excellence Center (PEC) in Waiblingen, das Virtual Dimension Center (VDC) in Fellbach, das Deutsche Zentrum für Satellitenkommunikation (DeSK) in Backnang, das Kompetenznetzwerk Mechatronik in Göppingen sowie die Film Commission Region Stuttgart. Der Weg zu den meisten EU-Zuschüssen führe eben über das Land Baden-Württemberg oder direkt über Zusammenschlüsse mit europäischen Partnern. "Uns ist es wichtig, dass in der neuen Förderperiode ab 2014 unsere Bedürfnisse als Großstadtregion berücksichtigt werden", so Dr. Rogg. Denn technologiestarke Großstadtregionen sichern die Arbeitsplätze der Zukunft. "Jetzt werden die Weichen für die neue Förderperiode gestellt", so der Appell von Sylvia Schreiber, Leiterin des Europabüros der Region Stuttgart in Brüssel. Es gelte, schon jetzt Themen und Vorstellungen in die Debatte einzubringen, damit wichtige Stadt-Umland-Projekte und Innovationsvorhaben künftig wirkungsvoller durch die europäische Ebene unterstützt würden.
Netzwerke statt Flickenteppich
Die beiden Europa-Büroleiter aus Rotterdam und Wien erläuterten ihre Strategien, um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Regionen zu verbessern. Rotterdam mit der Strategie für die niederländische Region West gilt als Vorreiter wie durch regionale Kooperation EFRE-Gelder eingeworben werden können. Wien setzt auf die thematische Zusammenarbeit im Zuge der Donaustrategie. Entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit Europas ist darüber hinaus die Infrastruktur. "Vom Flickenteppich zum Netzwerk" sollen die transeuropäischen Schienennetze bis 2050 ausgebaut werden, so Leo Huberts von der Generaldirektion Mobilität und Verkehr. Und das Ganze intermodal, also durch die Verbindung verschiedener Verkehrsträger. Auch die internationale Energieversorgung hat Nachholbedarf bei der Infrastruktur. Verbesserungen bei der Speicherung und Weiterleitung von Strom sind nach Auffassung von Dr. Michael Köhler, dem Kabinettschef von Energiekommissar Oettinger, absolut notwendig.
Und welches Fazit ziehen die Fraktionen von dem Brüssel-Besuch? Für Rainer Ganske (CDU) steht fest, dass das Europaengagement "eher noch ausgebaut werden sollte." Das Brüsseler Büro sei personell "dünn besetzt". "Wir müssen es künftig so aufstellen, dass es noch stärker als Schaufenster der Innovationsregion Stuttgart dienen kann." Die EU-Förderprogramme gingen jetzt in die richtige Richtung, weil auch die Motoren stärker gefördert werden. "Die Reise war richtig und wichtig", ist auch Harald Raß (SPD) überzeugt. Sie habe die große Bedeutung der Europaarbeit der Region Stuttgart gezeigt, mit dem Schwerpunkt auf der Wirtschaftsförderung. "Informativ und aufschlussreich war insbesondere die Diskussion der Auswirkungen der europäischen Förderpolitik auf die Kommunalpolitik."
Andreas Hesky (Freie Wähler) sieht sich bestätigt, "dass vor Ort die Zusammenhänge wesentlich besser zu verstehen sind." Die Region Stuttgart sei gut beraten, sich in Brüssel gut aufzustellen. "Wenn wir Fördermittel gewinnen wollen, müssen wir vor Ort deutlich machen, dass hinter uns 179 Kommunen und 2,7 Millionen Einwohner stehen." "Für uns Grüne ist im Kontext der Energiewende besonders erfreulich, dass der verstärkte Einsatz erneuerbarer Energien heute offizielles EU-Ziel ist, sagt Irmela Neipp-Gereke (Grüne). Bei der Bewerbung um EFRE-Gelder legt die EU künftig Qualitätsmerkmale an, wie beispielsweise die Verringerung des CO2-Ausstoßes, so dass reine Mitnahmeeffekte schwieriger seien. Für Jürgen Hofer (FDP) steht fest: "Wir haben gebündelte Fachinformation darüber erhalten, wie es gelingen kann, europäische Fördermittel zu erhalten und wo es Grenzen gibt". Deutlich sei auch geworden, dass es extrem wichtig ist, Entwicklungen frühzeitig zu erkennen, damit man sie beeinflussen und seine Vorstellungen einbringen könne. "Besonders lehrreich waren die gebündelten Informationen über die Chancen und Risiken kommunaler und regionaler Politik bei erneuerbaren Energien."
Die Delegation der Region Stuttgart
war von Montag bis Dienstag dieser Woche auf Informationsreise in Brüssel. Auf dem Programm im Europabüro der Region standen Referate zur aktuellen wirtschaftlichen Situation und zu den europäischen Strategien der Regionen Rotterdam sowie Wien. Im Wirtschafts- und Sozialausschuss erhielten die Stuttgarter Vertreter Informationen zur neuen Periode der Strukturförderung und den sich daraus ergebenden Perspektiven für "aktive Großstadtregionen". Bei einem Rundgang durchs Europaparlament ermunterte dessen Vorsitzender und Regionalrat, Rainer Wieland, seine Kollegen, mehr Präsenz in Brüssel zu zeigen. Energiekommissar Günther H. Oettinger begrüßte die Delegation und skizzierte in einer Tour dHorizon die vielfältigen aktuellen europapolitischen Herausforderungen.