Baden-Württemberg und speziell die Region Stuttgart haben sich bei Animationsfilmen und visuellen Effekten zum führenden deutschen Standort mit weltweiter Bedeutung entwickelt. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Studios auch künftig zu erhalten, benötigen sie eine verbesserte Glasfaservernetzung – vor allem mit dem Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart (HLRS). Die Planungsstudie „ASAPnet – Glasfaservernetzung für Animations- und VFX-Studios in der Region Stuttgart“ der Dr.-Ing. Nepustil GmbH zeigt, wie dieser Zugang geschaffen werden kann und welche Aufgaben die verschiedenen Akteure lösen müssen.
„Glasfaserinfrastruktur ist ein wichtiger Standortfaktor und wird für Firmen immer mehr zu einem entscheidenden Kriterium bei der Standortwahl. Um künstliche Welten zum Leben zu erwecken, müssen die Studios riesige Datenberge verarbeiten und transportieren. Jetzt wissen wir, was zu tun ist, damit die Biene Maja künftig nicht mehr auf Festplatten in der S-Bahn, sondern per Glasfaserleitung von den Studios ins Rechenzentrum kommt“, sagte Dr. Walter Rogg, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS), die die Studie in Kooperation mit der MFG Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg GmbH in Auftrag gegeben hat.
„Das Datenvolumen der Filmprojekte umfasst oft mehrere Terabyte. Deshalb brauchen die Firmen Zugang zu der modernsten und schnellsten Technik, um diese großen Datenmengen so schnell wie möglich verarbeiten zu können. Wenn die Handlungsempfehlungen der Studie umgesetzt werden, wird dies den Ruf des Standorts weiter festigen“, erklärte MFG-Geschäftsführer Prof. Carl Bergengruen.
Empfehlungen für Unternehmen
Den im Animation Media Cluster Region Stuttgart (AMCRS) zusammengeschlossenen Firmen empfiehlt die Studie, einen Nachfragepool zu bilden, um ihre Position gegenüber Anbietern zu stärken, die Kosten für die reine Leitung (Dark Fiber) getrennt von den Kosten für Dienste anzufragen, sowie einen gemeinsamen Glasfaserknoten für Animations- und Visual Effects-Studios zum Höchstleistungsrechenzentrum in Angriff zu nehmen. „Bei unseren Filmprojekten generieren und verarbeiten wir visuelle Daten und sind darauf angewiesen, diese mit anderen Studios und Dienstleistern, teils auch weltweit, zu teilen, um arbeitsteilige Prozesse zu organisieren. So sind wir aktuell zum Beispiel in Kooperationsgesprächen mit internationalen Studios wie Grid in Belgien und Flying Parks in Australien für zukünftige Projekte. Da diese Daten teilweise sehr große Volumen haben und diese in Zukunft auch weiter anwachsen werden, brauchen wir eine leistungsfähige Glasfaserinfrastruktur, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen“, schildert Holger Weiss, Geschäftsführer des Studios M.A.R.K.13, die Situation der Unternehmen.
Ein solcher Knoten könnte auch als Modell für andere Branchen dienen, die einen Bedarf an schneller Übertragung großer Datenmengen oder der Nutzung externer Rechenkapazitäten haben, etwa im Zusammenhang mit großen Simulationsrechnungen oder vernetzter Produktion bei Industrie 4.0-Anwendungen. „Auch die Hersteller im Maschinenbau oder die Dienstleister und Zulieferer in der Automobilindustrie nutzen zunehmend externe IT-Infrastruktur. Was wir im Rahmen der Studie über die Anforderungen der Animations- und Visual Effects-Studios gelernt haben, lässt sich durchaus auf andere Bereiche übertragen; die Studie hat eindeutig Modellcharakter“, erklärte Dr. Andreas Wierse, Geschäftsführer der Sicos BW GmbH, die Unternehmen Zugang zu Höchstleistungsrechnern vermittelt.
Empfehlungen für Kreativareale
Auch an die Betreiber von Kreativarealen wendet sich die Studie. Ihnen wird geraten, durch einen neutralen, anbieterunabhängigen Übergabepunkt mehr Wettbewerb zu schaffen. Zudem sollten bereits während der Bauplanung alle Aspekte der Vernetzung berücksichtigt und die notwendigen Vorbereitungen für den externen Glasfaseranschluss sowie die interne Verkabelung getroffen werden. „Wir bereiten derzeit eine interne Glasfaserverkabelung vor und befinden uns in Verhandlungen für eine neutrale externe Dark-Fiber-Leitung. Das FMZ sieht es als seine Aufgabe an, diese Entwicklungen voranzutreiben, um seinen Mietern die bestmögliche digitale Vernetzung zu bieten“, erklärte Istvan Gojan, Leiter des Film- und Medienzentrums Ludwigsburg, in dem über 50 Kreativunternehmen beheimatet sind.
Empfehlungen für die öffentliche Hand
Bei der Ausschreibung neuer Kreativareale und anderer Gewerbegebiete sollte laut Studie die öffentliche Hand eine leistungsfähige Glasfaserinfrastruktur mit einer genügend hohen Faserzahl und neutralen Hausübergabestellen verbindlich vorsehen. Eine zentrale Rolle schreiben die Autoren der öffentlichen Hand bei der Marktverbreitung von kostengünstiger Dark Fiber zu, das sind reine Leitungen ohne weitere Services. „Auch die öffentliche Hand kann von den Innovationsraten der optischen Übertragungstechnik profitieren, wenn sie als Nachfrager von Dark Fiber auftritt. Und wenn sie bei Infrastrukturbaumaßnahmen in Straße, Schiene und Energie Leerrohrkapazität einplant und den Carriern zu günstigen Preisen bereitstellt, kann sie auch die Angebotsseite verbessern“, sagte Kurt Jaeger von der Dr.-Ing. Nepustil GmbH. Die Autoren der Studie sehen große Chancen für eine erweiterte Rolle der öffentlichen Hand, um den Glasfaserausbau als Motor einer gesamtwirtschaftlichen Innovationsstrategie zu nutzen, etwa durch die Förderung von Forschungs- und Pilotprojekten im Rahmen der Digitalisierungstrategie digital@bw des Landes Baden-Württemberg.
Übertragbarkeit auf andere Branchen
In zahlreichen Branchen werden die Anforderungen an den Transport großer Datenmengen weiter steigen. In der Kreativwirtschaft, der Automobilindustrie, dem Maschinenbau, der Finanzbranche und dem Einzelhandel stehen digitale Dienstleistungen und internetfähige Produkte im Zentrum künftigen Wachstums. Damit wird der Zugang zu schnellem Internet zu einem der wichtigsten Standortfaktoren von Hochtechnologieregionen. Die neue Studie gibt Anhaltspunkte dafür, welcher Bedarf an Glasfaser in einer innovativen Teilbranche besteht, welche Hindernisse und Möglichkeiten es beim Ausbau gibt und wie ein Anschluss von Gewerbeimmobilien konkret aussehen kann.
Regionsweite Planung
Derzeit arbeitet der Verband Region Stuttgart gemeinsam mit der Landeshauptstadt und den Landkreisen der Region an der Planung eines kreisübergreifenden Backbone-Hochleistungsnetzes. Ziel ist es, alle Städte und Gemeinden sowie alle Bezirke der Landeshauptstadt Stuttgart an eine Glasfaserinfrastruktur anzuschließen.
Über die Animations- und Visual Effects-Branche in der Region Stuttgart
Baden-Württemberg ist Deutschlands Top-Standort im Bereich Visuelle Effekte (VFX) und Animation. Zahlreiche renommierte Auszeichnungen (Oscar, zwei Emmy Awards, Deutscher Computerspielpreis) holten die hier arbeitenden Animations- und VFX-Spezialisten in den deutschen Südwesten. Hinter diesen Erfolgen verbirgt sich die professionelle Arbeit des MFG-Clusters AMCRS. Die MFG Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg fördert und stärkt mit dem Animation Media Cluster Region Stuttgart den Know-how- und Technologietransfer in der Region. Das AMCRS schafft Synergien und stärkt die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Es besteht derzeit aus 15 in Baden-Württemberg ansässigen VFX-Dienstleistern und Animationsstudios, um die sich wiederum viele Kleinstunternehmen und regional verwurzelte Freelancer gruppieren. Je nach Auftragslage finden bis zu 400 Artists Beschäftigung.
Über die Studie
Die Planungsstudie „ASAPnet – Glasfaservernetzung für Animations- und VFX-Studios in der Region Stuttgart“ klärt die Frage, welche Möglichkeiten der Glasfaservernetzung für Animations- und VFX-Studios in der Region Stuttgart insbesondere mit dem Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart (HLRS) existieren und wie diese im Hinblick auf technische, betriebswirtschaftliche und logistische Kriterien zu bewerten sind. Die Studie ermöglicht den Akteuren eine Entscheidung über Realisierung und Betrieb. Im Rahmen der Studie hat die Dr.-Ing. Nepustil GmbH Gespräche mit elf Unternehmen und sieben Kreativarealen geführt und Angebote bei elf Telekommunikationsanbietern eingeholt. Aufgrund von sensiblen Unternehmensdaten ist die Studie nur teilweise öffentlich. Sie hat Pilotcharakter, da am konkreten Anwendungsfall die grundsätzlichen Herausforderungen im Bereich Glasfaser aufgezeigt werden und die Erkenntnisse auch für andere Branchen mit hohem Rechenbedarf und Datenvolumen nutzbar sind. Die Studie wurde von der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS) in Kooperation mit der MFG Medien- und Filmgesellschaft GmbH beauftragt. Partner sind das Animation Media Cluster Region Stuttgart, die Sicos BW GmbH und die Film Commission Region Stuttgart.
Hinweis zur Berichterstattung: Die komplette Studie, darin enthaltene Grafiken sowie weitere Presseinformationen finden Sie zum Download bereit unter wrs.region-stuttgart.de/asapnet